Dass zehn Tage Dauerregen vielleicht doch nicht innerhalb eines Tages im Boden versickern, merken wir irgendwo zwischen Iztapa und Montericco. Hinter den knietiefen Straßenseen ginge es todsicher weiter, hatte uns der nette Minibusfahrer versprochen. Mit seinem Wagen käme er da aber nicht hin. Der Tienda-Verkäufer, der jetzt vor uns steht, erzählt eine andere Geschichte. Busse: Ja, schon. Heute aber eher nicht. Seine Hand fährt von der Hüfte aufwärts. Das internationale Zeichen für Pegelstände.
Es ist jetzt 14 Uhr und bis nach Monterrico, Palmen, Sonne etc. sind es noch 15 Kilometer. Schätzt zumindest der Tienda-Verkäufer. Seit drei Wochen wollen Jan, Maria und ich an diesen Strand. Also waten wir los. Versinken mit unseren Waden in der badewannenwarmen Brühe, blicken auf geflutete Gärten, von hinter dröhnt der lokale Gemüsehändler mit seinem Lieferwagen ran. Die Sonne knallt, 30 Grad. Irgendwann ist klar, dass auf dieser Straße heute tatsächlich kein Wagen mehr fährt (Das internationale Pegelstand-Zeichen wandert bis zum Kopf). Dafür raten uns die Einwohner: "Versucht es am Strand, da fahren Pick-Ups."
Der Trampfelpfad zum Wasser führt vorbei an: kläffenden Hunden, die ihr Revier verteidigen wollen, Maisfeldern, unverputzten Wänden, schwelenden Feuern in Vorderhöfen. Obwohl wir die diversen Horrorgeschichten über genatzte Touris eigentlich verdrängen wollen, kneifen Jan und ich, jetzt mit unserem Kameras rumzuklicken.
Irgendwann kommen wir dann am Meer an. Was nicht schlecht ist. Andererseits haben wir jetzt für 140 Kilometer schon sechs Stunden gebraucht. Während wir uns auf den 15-Kilometer-Marsch einrichten, ziehen rechts das Meer und links unzählige Prollo-Villen (die ganz nebenbei ein tolles Beispiel für die krasse Wohlstandsscheere hier sind) von reichen Städtern an uns vorbei. Immerhin laufen wir auf einer Art Straße mit Reifenspuren im Sand. Mit dem feinen Meerduft in der Nase ist das gar nicht so schlecht.
Nach einer halben Stunde halten wir tatsächlich den ersten Pick up in unsere Richtung an (internationales Zeichen für: Nehmt uns mit!). Auf der Ladefläche richten wir uns neben zwei Guatemalteken ein. Sicher ist das nicht. Aber besser als Laufen.
Gewiss haben die permanenten Sicherheitswarnungen, die hier aus jeder Richtung auf einen einprasseln ihre Begründung. Andererseits ficken sie einem ganz schön das Hirn. Statt uns auszurauben steigen die zwei Kerle nach 20 Minuten Fahrt (die schon jetzt nice ist – auf einem Pick up am Strand rumdüsen) ab und machen Platz für eine Mutter mit ihren vier Kids. Offenbar sind alle irgendwie miteinander verwandt. Weil jetzt auch meine indizierte und unbewusst auch latent vorhanden gewesene Sicherheitsmanie wegschwirrt, fühlen sich die letzten Kilometer ungefähr so an, wie die Szene aus dem Film "Schule" aussieht, in der alle zum Kiffen an den See fahren. Auf jeden Fall sehen wir vom Pick up aus: Palmen, Sonne, Palmen, kleine Pueblos, Motorräder, Sonne, Palmen, Feldwege.
150 Kilometer (Siegen – Frankfurt) von Jocotenango entfernt erreichen wir nach sieben Stunden Monterrico. Bienvenido in einem anderen Land:
| links: Johnny's Place - Backpackerabsteige |
| Innenhof |
| Klischee |
| futbol |
| Frischfisch |
Wem wir unser kleines, schnieckes Reisescharmützel (das in der Tat cool war) zu verdanken haben und wer die Leidtragenden davon sind, wird uns am nächsten Tag präsentiert: Drei Tage nach dem Regen-Unwetter stehen Teile von Montericco noch immer unter Wasser. Die Bewohner verteilen Müllsäcke mit Lebensmittelrationen (so sah es zumindest aus), seit zehn Tagen bleiben die Touri-Einnahmen aus. Die Besitzer der abgesoffenen Tiendas stehen vor noch größeren Schäden.
| kein Fluss |
| Fluss |
| kein Fluss |
| teilweise Fluss |
Den Rückweg nehmen wir nach zwei Strandtagen (Sonne, Meer, Bier, Buch, Sonne, Meer, Rum, Beachvolleyball) mit dem Boot. Natürlich zum doppelten Preis. Rund 20 Minuten fahren wir mit dem kleinen Holzkaan (in Monterrico gibt es auch ohne Regenchaos eine Anlegestelle für Boote; es liegt von einer Seite an einem Mangrovenfluss), dann sehen wir in die nächsten Häuser im Wasser stehen. Wir zahlen den überhöhten Preis und steigen in unseren Reisevan.
Heute werden wir hier im Projekt unseren Alltag fortsetzen, helfen, ein Festival für 50 Kinder der Region vorzubereiten. 150 Kilometer Richtung Süden werden zur gleichen Zeit die ersten Hausbesitzer in ihre Bauten treten, die Hände über ihrem Kopf zusammenschlagen und mit den Aufräumarbeiten beginnen.