Die Frau in dem Schuhladen schaut mich grinsend an. Nein, Größe 42/43 habe sie nicht da. "Perdon". Doch so schnell will ich mich diesmal nicht geschlagen geben.
Weil mein Bewegungsradius hier an normalen Tagen ungefähr so groß ist wie ein Fussballfeld und mein Schritttacho am Ende des Tages vielleicht 0,8 Kilometer anzeigen würde, will ich Sport machen. Joggen. Doch dafür brauche ich Schuhe. Weil der Durchschnittsguatemalteke aber eine Ecke kleiner ist als der Standarteuropäer, kann das hier zum Problem werden.
Dann sehe ich das Objekt meiner Begierde: VOIT-Sportschuhe, rot-weiß, Made in China, angeblich Größe 45. Vielleicht liegt es daran, dass auch die Chinesen kleinere Füße haben – auf jeden Fall passen die Treter perfekt. Nach einer Handelsrunde fällt der Preis von 150 Quetzales auf 125. Gekauft. Deswegen bin ich heute zum ersten Mal in Jocotenango gejoggt (durch Maisplantagen, stickige Calles, Pfützenwiesen).
Auch sportlich war der Aufstieg zum Pacaya-Vulkan am Sonntag: Das Minitaxi mit Jan, mir und zehn anderen Touris nimmt die Serpentinen zum Ausgangspunkt deutlich lockerer als die normalen Camionetas. Neben mir sitzt ein Mexikaner und redet über Drogenkrieg und Oktoberfest. Als wir aussteigen, drehen uns Fünfjährige Wanderstöcke an. "No, Gracias!"
Es geht steil bergauf, dichter Nebelwald, 50 Meter Sicht, grün-grau. Hinter uns trotten drei Pferde samt Halter (Taxis natural) her. Es dauert keine Viertelstunde, bis die Mexikanerin mit den Wildlederstiefeln die 100 Quetzales dafür berappt und jetzt als gallopierendes Touristenklischee hinter uns her reitet.
Irgendwann sind wir dann oben: Grau, schwarz, grün. Grauer Nebel, schwarze Kieserde, grüne Sträucher. Dann: Stopp für Fotosession. Unser Guide fragt nun, ob wir den "camino aburido" oder den "camino divertido" nehmen wollen. Ab jetzt wird es fett.
Wie ein Bekloppter rennt der Guide los, springt Lavakämme runter. Sichtweite: vielleicht zehn bis 20 Meter. Wir hinterher. Obwohl wir auf 2500 Metern sind, ist es nicht kalt. Aus dem warmen Boden kondensiert Dampf. Wie Tau legen sich kleine Wasserperlen auf unsere Haare. Noch ein Berg zum runterspringen.
Nach einer halben Stunde sind wir dann endgültig in Moon-Country angekommen. Schwarze Lavaformationen, schwarzer Sand, Nebelschwaden, die jede Orientierung rauben. Und wieder rennt unser Guide wie bekloppt los. Er stoppt an einer Erdspalte, die Saunaluft nach oben wirbelt. Vor einem Jahr ist hier Lava hergeflossen, die derzeitige Vulkanaktivität reicht, um Marshmallows zu grillen. Nach zwei Minuten im Vulkanfön sind meine Haar wieder komplett trocken.
Mittlerweile ist es dunkel. Mit winzigen Taschenlampen verlassen wir unseren Minimond. Unten wartet das Minitaxi auf uns – begleitet von einem Polizeijeep. Uns hier, im Niemansland, auszurauben: Kinderspiel.
Zurück in Jocotenango zeigt mein Schritttacho endlich ein paar mehr Kilometer an. Ich brauche unbedingt Sportschuhe...
| Nebelwald |
| Mondaufstieg |
| Galoppierendes Klischee |
| Weiterer Vulkan |
| Mondspringen |
| Abstieg |
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