Montag, 27. Februar 2012

Ein Volksfest

Was einem zuerst auffällt sind die fliederfarbenen Kuttenmänner. Wie Filmrekruten laufen sie am Sonntag durch Antigua und tupfen noch mehr Farbpunkte in die Kopfsteinstraßen als es ohnehin schon gibt.

Bis zur Osterwoche ist es noch weit über einem Monat, aber die „Semana Santa“ beginnt in Guatemala schon jetzt. Jedes Wochenende gibt es Totenwachen in den Dutzenden Kirchen, jeden Sonntag trompetet sich nun eine Prozession durch Antigua. 


Über zwölf Stunden dauern diese Märsche gewöhnlich. Zwölf Stunden, in denen die Trompeter in ihre Hörner pusten, Jugendliche wie römische Soldaten über das Kopfsteinpflaster uniformieren und starke und schwache Arme überdimensionale Heiligenfiguren über ihren Köpfen bugsieren.

Zwölf Stunden Volksfest. Seit Tagen senden die Fernsehkanäle Werbung für die Umzüge, zeigen Grafiken mit den genauen Wegangaben der Paraden. Die Jugendlichen treffen sich hier abends und pilgern zur Velación. Als ich am Sonntag durch Antigua schlendere kommen mir immer wieder Jugendgruppen entgegen. Pärchen küssen sich, während sie auf das Spektakel warten.

Zuerst riecht man den Umzug. Rund eine Stunde bevor die Prozession an ihrer Haustür vorbeizieht, bereiten die Anwohner die Teppiche vor. Dazu sprühen sie Wasser auf das staubige Kopfsteinpflaster, legen die Bilder aus Blumen, Fichtennadeln, Obst und Gemüse zusammen und wässern nochmal. Wenn man Glück hat und die Sonne noch nicht alles weggetrocknet hat, kann man etwas von dem Gewitterregenduft mitnehmen. Sonst bleibt einem nur der Grillrauch von den unzähligen Essensständen, die Tamales, Tortillas und Steaks anbieten.


 



Nach dem Riechen kommen die Ohren: Blaskapellenmusik schlängelt sich um die Ecken der Straßen und kündigt den Aufzug der Fliedermänner an. Und dann kommen sie, wie ein lila Meer und die Ecke marschiert. Großväter, Prolls mit dicken Armani-Sonnenbrillen, Väter mit Kinderwagen. An ihre lila Kutten haben sie Bilder von Jesus geheftet, wie er mit seiner Dornenkrone leidet. In ihren Händen haben manche Sandwiches und Cola-Dosen.

Vielleicht eine Dreiviertelstunde dauert es, dann ist die Menschenmasse vorbeigezogen. Jetzt kommt die Nachhut. Kinder stürzen sich auf die Teppiche und ziehen Blumen, Kartoffeln und Mandarinen aus den Bildern heraus. Dann kommt der Reinigungstrupp. Ein Dutzend Männer fegt und schaufelt alles übriggebliebene zusammen, am Ende saugen Männer die Fichtennadeln mit riesigen Staubsaugern von der Straße. Die Versammlung an dieser Ecke löst sich auf. Schnell ziehen die Leute ihre Prozessionspläne aus den Taschen und huschen zur nächsten Station. 




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