Der Regen braucht an diesem Sonntag eine kleine Pause, als Jan und ich uns auf den Weg nach Antigua machen. In den Schlaglöchern der breiten Straße spiegelt sich das Wasser und neben den schienbeinhohen Bordsteinen fließen kleine Bäche ins Nirgendwo. Es ist nicht unnormal, dass Betrunkene hier am Wegrand einschlafen, nachdem sie wie auf Stelzen durch die Gassen mäandert sind. An der Kreuzung, die die Camionetas nach Antigua nehmen, liegen die Alkoholkörper besonders oft. Auch heute liegt hier ein Mann.
Wir laufen weiter. Ein paar hundert Meter, dann streckt ein toter Hund seine Zunge aus. Zusammengefallen wie eine leere Plastiktüte liegt er im Regen. An seinem Fell perlen die feinen Tropfen ab wie an meiner High-Tech-Regenjacke.
In Antigua vergesse ich den toten Hund und den schlafenden Mann. Wir trinken Kaffee, essen Kekse, zahlen die Rechnung für insgesamt 15 Quetzales (1,35 Euro).
Am Rückweg sehen wir zuerst den Hund. Statt der winzigen Regenfäden prasseln mittlerweile dicke Tropfen auf das leblose Fell. Und sie prasseln zwei Minuten weiter auf den Mann. Die Bordsteinbäche streifen seinen Fuß, die Menschen, Jan und ich laufen an ihm vorbei.
Zum Abendbrot hole ich pappiges Pan Francais aus der nächsten Panaderia. Auf dem Weg dorthin kommt mir der nächste Stelzenmann entgegen.
Sonntag, 25. September 2011
Montag, 19. September 2011
Wahl, Vulkan und Unabhängigkeit
Ein paar Tage nach meinem letzten Blog-Eintrag war hier die groß umworbene Wahl. Schon zwei Tage vorher setzte eine staatlich-verordnete Alkoholprohibition ein, an die sich aber nur die großen Supermärkte hielten. In den unzähligen Tiendas wurden die 1-Liter-Bierflaschen dagegen nur in Tüten versteckt und trotzdem verkauft. Am Wahlsonntag war es hier in Jocotenango dann den ganzen Tag still, bis um Mitternacht ein dröhnender Autokorso durch die Straßen zog. Die Patrioten haben sowohl in unserem Bezirk als auch landesweit die meisten Stimmen erzielt. An zweiter Stelle kommt der wirtschaftsnahe Manuel Baldizon, der unter anderem die Todestrafe einführen möchte. Da in Guatemala eine absolute Mehrheit für einen Sieg notwendig ist, gibt es im November Stichwahlen zwischen den beiden Einpeitschern. Die Friedesnobelpreisträgerin Rigoberta Menchu erhielt dagegen nur knappe zwei bis drei Prozent der Stimmen.
Nur vier Tage nach den Elecciones, am 15. September, feierten die Guatemalteken 190 Jahre Unabhängigkeit von Spanien. In Antigua zogen nachmittags die Schulklassen durch die Gassen, trommelten Rhythmen, schwenkten Fahnen und zelebrierten ihren Nationalfeiertag.
Im Projekt habe ich letzten Freitag das erste Mal etwas mehr mit den Kids gemacht als sie bloß auf den Schultern durch die Gegend zu tragen. Abends war dann ein ausgewanderter Familienangehöriger der Gastfamilie hier, der für VW arbeitet und die absolute Gegenposition zur Philosophie von Los Patojos vertrat. Als "Aufsteiger" sozialisiert, zählten für ihn Geld und Fleiß. Auf seine Einladung hin folgten ein anderer Freiwilliger und ich ihm in seine Villa hier im Dorf. Hinter einer nackten Betonwand eröffnete sich eine Anwesen im Stile eines Hotelanwesens. Grüne Wiesen, Limonenbäume, weitläufige Gänge. Zum ersten Mal wurden die krassen sozialen Gegensätze des Landes (ein großer Teil der Bevölkerung lebt in Dörfern ohne Strom) sichtbar.
Eine Kostprobe von der Natur Guatemalas gab es am letzten Wochenende. Auf dem rund 3000 Meter hohen Vulkan "Chicabal" hat sich in den vergangenen Jahrhunderten ein See in dem erloschenen Krater gebildet. Zusammen mit einem ehemaligen Guerilla-Kämpfer aus dem 35-jährigen Bürgerkrieg des Landes bestiegen wir den Gipfel und schliefen einen Nacht unter einer Planenkonstruktion am Seeufer. Für die fröstelnden Nachttemperaturen wurden wir mit dem Sonnenaufgang am See entschädigt. Für ein paar Stunden waberten keine Wolken über dem Wasser und es gab klare Sicht. Die Rückfahrt war dann eine kleine Gedultsprobe. Weil in Quetzaltenango Stadtfeier war, musste unser Bus durch kleinste Gassen manövrieren. Jeder zweite Fahrgast wusste plötzlich eine Abkürzung. Insgesamt brauchten wir so lange wie ein Fußballspiel, um aus der Stadt zu kommen.
Gerade hat hier übrigens zum zweiten Mal die Erde gebebt. Kleine Erschütterungen gibt es hier öfters, die letzte vor einer Woche. Heute gab es jedoch zwei kleinere Beben hinternander. Die Beben sind aber wohl nicht besonders schlimm, ein mulmiges Gefühl ist es trotzdem.
| Blick auf Antigua |
| Unser Dorm ein Quetzaltenango |
| Aufstieg zum Vulkan |
| Starknebel am See |
| Planenkonstruktion am See |
| Sonnenaufgang am See |
| Der See von oben (rund 600 Treppenstufen hoch) |
Montag, 5. September 2011
Wahlkampf & Projekt
Der Wahlkampf hier ist zurzeit meine Lieblingsattraktion. Während das Schauspiel in Deutschland im kleinen Rahmen abläuft (SPD-Luftballons, CDU-Kullis, FDP-Tränentaschentücher), gleicht die Sache hier einer mittelgroßen Meisterfeier. Kilometerlange Autokorsos schlängeln sich durch das Land, wobei die Jeeps oder Busse mit den Parteifarben geschmückt sind. Beladen sind die Karren mit Dutzenden Menschen, die auf Fahnen ihre Kandidaten lobpreisen. In Jocotenango feiert jeden Tag eine andere Partei am zentralen Stadtplatz ihre Wahlfiesta und drückt Pop-Songs mit Parteitexten durch die Luft! Weniger lustig ist dagegen, dass momentan ein ehemaliger Kriegsverbrecher als Favorit für das Präsidentenamt gilt. Naaaja!
Ansonsten lerne ich das Projekt Los Patojos besser kennen, hatte heute meine erste Spanischstunde und freue mich darauf, bald auch mit besseren Spanisch-Kentnissen im Projekt arbeiten zu können. Momentan ist die Sprache leider noch eine Katastrophe. Für mehr als "Hallo, bla, ich bin Thomas und Tschüss" reicht es selten. Wird aber!
Weil ich euch die Elecciones-Eindrücke nicht entgehen lassen will, hier noch Eindrücke davon und von anderem Krams:
Ansonsten lerne ich das Projekt Los Patojos besser kennen, hatte heute meine erste Spanischstunde und freue mich darauf, bald auch mit besseren Spanisch-Kentnissen im Projekt arbeiten zu können. Momentan ist die Sprache leider noch eine Katastrophe. Für mehr als "Hallo, bla, ich bin Thomas und Tschüss" reicht es selten. Wird aber!
Weil ich euch die Elecciones-Eindrücke nicht entgehen lassen will, hier noch Eindrücke davon und von anderem Krams:
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| USA-Schulbusse recycelt! |
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| Straße 50 Meter von meiner Unterkunft entfernt |
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| Wahlparty Jocotenango |
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| Wahlplakat! |
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| Einige Autos des Korsos müssen tanken |
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| Hühnchen gekocht! |
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| Wenn es dann doch mal regnet, dann heftig! |
Samstag, 3. September 2011
Hola Guatemala
Ankommen: Über 24 Stunden Reise, sechs Mahlzeiten, drei Zeitzonen, ein platter Reifen. Diese Kurzbilanz konnte ich Donnerstagnacht, 23.30 Uhr guatemaltekischer Zeit, ziehen. Den Platten hatte mein Taxifahrer, der diverse Schlaglöcher großzügig übersehen hatte. Müde, aber glücklich fiel ich ins Bett.
Einleben: Am nächsten Tag ging es ins Projekt "Los Patojos". Dutzende "Patojos" (kleine Kids) durften auf meiner Schulter Platz nehmen. Eine Wanderung mit den Kleinen entpuppte sich als mittlerer Ausflug. Am Berg gab es einen grandiosen Blick über Antigua (und Jocotenango). Abends Bier (Gallo) aus dem lokalen Tienda (Späti-Shop): Süß aber süffig.
Land: Jocotenango (die Gemeinde in der ich lebe) und Antigua (nächst größere Stadt) sind charmant. Bunte Häuser mit Wellblechflachdächern, Büsche, die aus Mauern sprießen, Kakteen die am Dach wachsen, Kopfsteinplasterstraßen der alten Schule überall.
Wahlkampf: Am 11. September dürfen die Guatemalteken zur Urne treten. Deswegen ist auf allen größeren Plätzen Wahlparty angesagt: Fahnenträger, billige Propagandamusik, Jugendparteisoldaten! Außerdem: Zugehängte Straßen mit Wahlplakaten jeglicher Art. Besonders lustig sind die Autos mit Lautsprechern, die durch die engen Gassen jagen und ungefragt ihre Parolen unters Volk posaunen.
Ich: Wohne in einem Freiwilligenhaus mit Dachterasse (nice!) und begrüntem Innenhof. Mein Zimmer ist klein, aber reicht vollkommen. Irgendeiner hat eine dänische Flagge an die Wand gepinselt. Wenn ich morgens aus der Tür trete, blicke ich auf die Berge hier in der Umgebung. Obwohl zurzeit Regensaison ist, regnet's fast nie. Tagsüber angenehme 25°C, abends kühlt es auf 15°C ab!
Fotos:
Einleben: Am nächsten Tag ging es ins Projekt "Los Patojos". Dutzende "Patojos" (kleine Kids) durften auf meiner Schulter Platz nehmen. Eine Wanderung mit den Kleinen entpuppte sich als mittlerer Ausflug. Am Berg gab es einen grandiosen Blick über Antigua (und Jocotenango). Abends Bier (Gallo) aus dem lokalen Tienda (Späti-Shop): Süß aber süffig.
Land: Jocotenango (die Gemeinde in der ich lebe) und Antigua (nächst größere Stadt) sind charmant. Bunte Häuser mit Wellblechflachdächern, Büsche, die aus Mauern sprießen, Kakteen die am Dach wachsen, Kopfsteinplasterstraßen der alten Schule überall.
Wahlkampf: Am 11. September dürfen die Guatemalteken zur Urne treten. Deswegen ist auf allen größeren Plätzen Wahlparty angesagt: Fahnenträger, billige Propagandamusik, Jugendparteisoldaten! Außerdem: Zugehängte Straßen mit Wahlplakaten jeglicher Art. Besonders lustig sind die Autos mit Lautsprechern, die durch die engen Gassen jagen und ungefragt ihre Parolen unters Volk posaunen.
Ich: Wohne in einem Freiwilligenhaus mit Dachterasse (nice!) und begrüntem Innenhof. Mein Zimmer ist klein, aber reicht vollkommen. Irgendeiner hat eine dänische Flagge an die Wand gepinselt. Wenn ich morgens aus der Tür trete, blicke ich auf die Berge hier in der Umgebung. Obwohl zurzeit Regensaison ist, regnet's fast nie. Tagsüber angenehme 25°C, abends kühlt es auf 15°C ab!
Fotos:
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| Breakdance im Jugendzentrum "Los Patojos" |
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| Dito |
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| Blick aus dem Fenster I |
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| Blick aus dem Fenster II |
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| Der Innenhof |
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| Die Dachterasse |
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