Montag, 19. September 2011

Wahl, Vulkan und Unabhängigkeit

Ein paar Tage nach meinem letzten Blog-Eintrag war hier die groß umworbene Wahl. Schon zwei Tage vorher setzte eine staatlich-verordnete Alkoholprohibition ein, an die sich aber nur die großen Supermärkte hielten. In den unzähligen Tiendas wurden die 1-Liter-Bierflaschen dagegen nur in Tüten versteckt und trotzdem verkauft. Am Wahlsonntag war es hier in Jocotenango dann den ganzen Tag still, bis um Mitternacht ein dröhnender Autokorso durch die Straßen zog. Die Patrioten haben sowohl in unserem Bezirk als auch landesweit die meisten Stimmen erzielt. An zweiter Stelle kommt der wirtschaftsnahe Manuel Baldizon, der unter anderem die Todestrafe einführen möchte. Da in Guatemala eine absolute Mehrheit für einen Sieg notwendig ist, gibt es im November Stichwahlen zwischen den beiden Einpeitschern. Die Friedesnobelpreisträgerin Rigoberta Menchu erhielt dagegen nur knappe zwei bis drei Prozent der Stimmen.

Nur vier Tage nach den Elecciones, am 15. September, feierten die Guatemalteken 190 Jahre Unabhängigkeit von Spanien. In Antigua zogen nachmittags die Schulklassen durch die Gassen, trommelten Rhythmen, schwenkten Fahnen und zelebrierten ihren Nationalfeiertag.

Im Projekt habe ich letzten Freitag das erste Mal etwas mehr mit den Kids gemacht als sie bloß auf den Schultern durch die Gegend zu tragen. Abends war dann ein ausgewanderter Familienangehöriger der Gastfamilie hier, der für VW arbeitet und die absolute Gegenposition zur Philosophie von Los Patojos vertrat. Als "Aufsteiger" sozialisiert, zählten für ihn Geld und Fleiß. Auf seine Einladung hin folgten ein anderer Freiwilliger und ich ihm in seine Villa hier im Dorf. Hinter einer nackten Betonwand eröffnete sich eine Anwesen im Stile eines Hotelanwesens. Grüne Wiesen, Limonenbäume, weitläufige Gänge. Zum ersten Mal wurden die krassen sozialen Gegensätze des Landes (ein großer Teil der Bevölkerung lebt in Dörfern ohne Strom) sichtbar.

Eine Kostprobe von der Natur Guatemalas gab es am letzten Wochenende. Auf dem rund 3000 Meter hohen Vulkan "Chicabal" hat sich in den vergangenen Jahrhunderten ein See in dem erloschenen Krater gebildet. Zusammen mit einem ehemaligen Guerilla-Kämpfer aus dem 35-jährigen Bürgerkrieg des Landes bestiegen wir den Gipfel und schliefen einen Nacht unter einer Planenkonstruktion am Seeufer. Für die fröstelnden Nachttemperaturen wurden wir mit dem Sonnenaufgang am See entschädigt. Für ein paar Stunden waberten keine Wolken über dem Wasser und es gab klare Sicht. Die Rückfahrt war dann eine kleine Gedultsprobe. Weil in Quetzaltenango Stadtfeier war, musste unser Bus durch kleinste Gassen manövrieren. Jeder zweite Fahrgast wusste plötzlich eine Abkürzung. Insgesamt brauchten wir so lange wie ein Fußballspiel, um aus der Stadt zu kommen. 

Gerade hat hier übrigens zum zweiten Mal die Erde gebebt. Kleine Erschütterungen gibt es hier öfters, die letzte vor einer Woche. Heute gab es jedoch zwei kleinere Beben hinternander. Die Beben sind aber wohl nicht besonders schlimm, ein mulmiges Gefühl ist es trotzdem. 

Blick auf Antigua

Unser Dorm ein Quetzaltenango



Aufstieg zum Vulkan

Starknebel am See

Planenkonstruktion am See

Sonnenaufgang am See

Der See von oben (rund 600 Treppenstufen hoch)

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